einführung zur vernissage


prof. dr. gerd wiendieck

Ausstellung der Gruppe „brennweite“ 

Alten Feuerwache, Köln, Melchiorstr. 3

 

Titel: raum | RÄUME

Unter dem Namen „brennweite“ haben sich Fotokünstler/innen des KUNSTFORUM ’99 zusammengefunden um gemeinsam Themen zu bearbeiten und Ausstellungen zu organisieren. Hier also die jüngste Ausstellung dieser sehr aktiven Künstler-Gruppe.

Der Titel „raum | RÄUME“ macht auf den ersten Blick etwas stutzig.  Eine merkwürdige Dopplung des Wortes Raum, einmal kleingeschrieben im Singular und dann groß geschrieben im Plural. Was soll das bedeuten - vermutlich “Vielfalt“. Ich nehme es als Aufforderung über die gängige Bedeutung des Wortes „Raum“ hinauszugehen.
Also folge ich mal dieser vermuteten „Aufforderung zur Vielfalt“ und beginne mit dem einfachen „Raum“. Da stellt sich bei mir unvermittelt die Vorstellung eines „Wohnraumes“ ein. Vier Wände, Fußboden, Decken, Türen und Fenster. Dreidimensional: Höhe, Breite, Tiefe. Aber dann lese ich, dass es im Raum Köln verschiedene Wohnungsreinbrüche gegeben hat. Im „Raum Köln“  also geographisch, zweidimensional. Und danach fiel mir die vierdimensionale Ausdehnung im Raum-Zeit Kontinuums ein, das Einstein ins Spiel gebracht hat, das aber jenseits meiner Vorstellungskraft liegt und vielleicht nur von den Astrophysikern wirklich verstanden wird.  Dann dachte ich den Weltraum, die Raumfahrt und die Raumschiffe. Hier geht es nicht mehr um den Wohnraum, sondern die Frage der Endlich- oder Unendlichkeit des Raums. Übrigens eine Frage, die die Philosophen bereits seit altersher beschäftigt hat. Wenn der Raum endlich ist, ja, was ist denn dann jenseits der Grenze? Kann man darüber schauen oder einen Stein zum Nachbarn werfen?

Aber Raum ist noch mehr. Die Musiker sprechen vom Klangraum, die Maler vom Farbraum, die Projektplaner vom Zeitraum, die Psychologen vom Erlebnisraum. Also hat der Raum weit mehr also nur 4 Dimensionen und offenkundig ist es für Künstler reizvoll sich dieser Vielfalt zu widmen.

Vor zwei Tagen war ich in einer Ausstellung mit dem Titel „intime Räume“ und zeitgleich zu dieser Ausstellung gibt es im Bonner Kunstmuseum die Ausstellung  „Das unheimliche Heim. Innenräume von Edvard Munch bis Max Beckmann“

Also „Raum“ ist „in“ und wird in seiner nahezu unendlichen Vielfalt künstlerisch  „ausgeleuchtet und ausgedeutet“.

Eins ist klar: Wir alle leben im Raum, weil es außerhalb des Raumes nichts gibt. Und außerdem sind wir nicht nur vom Raum umgeben, sondern tragen auch Räume in uns: Unsere Eindrücke, Erinnerungen, Erlebnisse, Ängste, Sorgen, Sehnsüchte. Räume mögen uns schützen, bedrohen oder festhalten, sie mögen uns verwirren, entmutigen, ängstigen oder beruhigen, aktivieren und ermutigen.

Offenkundig ist Raum ganz elementar und prägend für uns. Der Psychologe Kurt Lewin hat die drei Dimensionen des physikalischen Raumes zu drei elementaren psychischen Dimensionen in Beziehung gesetzt.

Unabhängig davon wie wir uns im Raum bewegen, ob wir sitzen, liegen oder stehen,  wissen wir immer, wo oben und unten ist. Oben und unten ist die soziale Kategorie der Macht. Über- und Unterordnung. Wir wissen auch immer wo vorne und hinten ist. Das ist die Kategorie der Zeit. Die Zukunft liegt vor uns, die Vergangenheit hinter uns. Das ugandische Sprichwort sagt es poetischer: „Wende Dein Gesicht zur Sonne und die Schatten fallen hinter Dich“. Und dann gibt es noch rechts und links. Das ist die wertende Kategorie von Gut und Böse. Macht, Zeit und Bewertung sind drei zentrale Kategorien unserer Sicht auf unsere Welt.

Und spätestens da wurde mir die Bedeutung des Titels dieser Ausstellung klar: Wenn wir uns öffnen, öffnen wir die Enge unserer spontanen Deutungen, Empfindungen und Wertungen treten ein in neue erweiterte „raum | RÄUME“.

Einige Worte zu den sechs Foto-Künstlern und ihren Werken:

 

Anja Kleemann-Jacks

Peter Krauß

Elke Mohr

Jens Udo Mornhinweg

Uschi Sträter

Wolfgang Winkel

Ich danke den Künstlerinnen und Künstlern für ihre Interpretation der Räume und ihre Inspiration an uns Betrachter.

Ich wünsche Ihnen allen einen aufmerksamen Blick und eine bereichernde Erfahrung.

Danke.